Bergbau in Ellbögen

Zur Zeit Kaiser Maximilians blühte der Bergbau in Tirol allgemein auf. Wenn auch nicht überall mit Stollen, Schächten und Räderwerk der Abbau der Erze betrieben wurde, so gab es doch ungezählte Schurfrechte, und erfahrene Bergleute durchwanderten die Täler und suchten nach Gold, Silber, Kupfer und anderem erzhältigem Gestein. Gold wurde in den Flüssen und Bächen gewaschen. Hauptmann Jacob Lidl von Amras und Hofsekretär Friedrich Schenkh hatten die Bewilligung, die Goldwäscherei vom Örlachbach der Sill nach heraus bis Wilten zu betreiben.

Um 1600 brachte der Bergbau Betriebsamkeit in unsere Gemeinde. Ambros Sauerwein, ein Hofbediensteter Erzherzog Ferdinands II., baute im Viggar und im Arztal (der Name kommt ja vom Erz) Eisenerze ab. Mit großem Eifer ging man an den Abbau der hochwertigen Erze, die zum Teil sogar im Tagbau freilagen. In Ellbögen konnte Sauerwein die Erze nicht schmelzen, weil die Haller Saline im Viggar- und Arztal (und weiterer Umgebung) Holz- und Kohlenreservate hatte. So erbaute er in Ehrwald eine Eisenhütte, und die Erze, gereinigt von taubem Gestein, wurden mit Fuhrwerken dort hingebracht, was natürlich mit großen Unkosten und Zeitaufwand verbunden war. Im Arztal wurde auch Schwefelkies abgebaut. Erze aus dem Arztal sollen zur Herstellung der „Schwarzen Mander“ in der Hofkirche verwendet worden sein. Wolfskron – „Die Tiroler Erzbergbaue „ – schreibt über den Bergbau im Arztal:

„Außer den längst bekannten Sauerweinschen Eisensteingruben im Erztal, in dem Ellbögen, lernen wir dort im Jahre 1642 am Oerlpach einen neuerlichen Bergbau kennen. Auf was gebaut wurde, ist leider nicht ersichtlich, doch zeigen die Vorsichtsmaßnahmen, welche die Kammer braucht, damit sich dort nicht unliebsame Gewerken ansitzen könnten, dass man auf dieses Vorkommen einen ganz besonderen Wert legte. Dass der Örlbach Gold hält, dürfte man vielleicht geglaubt haben, dort dieses Edelmetall im anstehenden zu treffen. Es wurde, nachdem am 24. September 1642 das zur Aufschlagung dieses Bergbaus nötige Holz angewiesen wurde, am 10. November desselben Jahres dem Bergrichter von Hall befohlen, falls sich eine Person zur Planung von Neuschürfen am Örlachbach in dem Ellbögen melden sollten, sie nicht zu verleihen, bevor nicht darüber Bericht erstattet worden sei. Dass dieses Vorkommen wirklich beachtenswert war, zeigte der Umstand, dass sich die Fugger und Kirchbergischen um Verleihung jener Gruben bewarben. Der österreichische Handel und Hans Anzinger war dort damals noch nicht belehnt und man wollte die ersteren dort um keinen Preis ansitzen lassen. Dem Bergrichter wurde sogar am 31. Dezember 1642 befohlen, mit besonderem Fleiß in allen Mandeten, Urteilbüchern und Bergwerksfindungen um Grund nachzusuchen, um dieses abschlagen zu können. (Es war dies streng genommen eine gesetzwidrige Verfügung.) Man scheint mit großem Eifer darangegangen zu sein, da sieben Jahre später dort schon Stollen, Schacht, Taggebäude, ja sogar ein Rad erwähnt wurden, doch konnte der Bergbau damals wegen gegenwärtigem schlechten Augenscheins, hoher Proviantpreise und Geldmangels und der voraussichtlichen großen Unkosten nicht weiter betrieben werden. Man verfügte aber am 17. Juli 1649,dass derselbe wegen begründeter guter Hoffnung in rechten erhalten, Stollen, Schacht und Taggebäude vor dem Eingehen bewahrt werden, die beiden Hütten- und Wasserkästen erhalten, das Rad nicht vertragen und der Schacht im Bergen nicht eingelassen werde. Kaspar Roth von Thaur beschwert sich im Jahre 1653, dass die an seinem Bergbau bereits durch 20 Jahre innegehabten und auf seine Kosten erhaltenen Halden vom Haller Bergrichter ihm abgesprochen und dem Gregor Hebenstain zugesprochen wurden. Es wurde daher am 20. Juni 1653 darüber ein Bericht abverlangt.\“.

Geldmangel und der weite Weg zur Verhüttung führten also dazu, dass der Bergbau in Ellbögen trotz aller Ergiebigkeit 1695 endgültig eingestellt wurde.

In Berichten über den Bergbau in alter Zeit ist immer wieder von Berggericht und Bergrichter die Rede. Alle im Bergbau und Hüttenwesen direkt oder indirekt beschäftigten Personen, also Bergknappen, Hüttenarbeiter, Holzfäller, Kohlenbrenner, Erzfuhrleute, Erzsamer… alle, die durch die tägliche Arbeit im Bergbau zu tun hatten, nannte man die Bergverwandten. Auch die Angehörigen dieser Personen zählten dazu. Sie unterstanden nicht der gewöhnlichen Gerichtsbarkeit, für sie gab es ein eigenes Gericht, das aus dem Bergrichter und mehreren geschworenen bestand. Nur die schweren Verbrechen (Mord, vorbedachter Totschlag, Raub, Brandlegung, Diebstahl von Wertsachen, Ketzerei) wurden vom Landrichter bestraft. Für unsere Gemeinde war damals das Berggericht in Hall zuständig. Der Bergbau im Arz- und Viggartal hatte viele Leute beschäftigt. In unserer Gemeinde entstanden neue Siedlungen, die Bezeichnung „Knappenhütten“ ist noch gebräuchlich, die Hausnamen „Godner, Radler, Schmölzer“ (im Ther. Kat. 1775) weisen auf den einstigen Bergbau hin.
Im Viggar- und Arztal sind noch „Knappenlöcher“ – wenn auch stark verfallen – zu erkennen.

In den Jahren 1927 bis 1929 versuchte ein kleines Unternehmen die Erze im Arztal abzubauen. Florian Lener, vulgo „Leachn Florl“ (gestorben 1979) war als „Knappe“ tätig. Und erzählte mir über diesen „Bargbau“: Die Unternehmer waren zwei Ingenieure – mit dem Namen Lott – nach Meinung von Lener kein richtiger Ingenieur, mehr ein Vorarbeiter. Der Stollen wurde unterhalb von Hinterlarcher von Florl und noch einem Helfer – ein gewisser Schorsch – in Handarbeit (mit Meißel und Schlegel) vorgetrieben. Mit der Zeit reichte der Stollen bis untern „Fuschter Stådl“, ein zweiter führte gegen das Arztal wieder. Dabei stießen sie auf alte Stollenanlagen, die bis gegen die Hinterlarcher Kapelle reihten, teils eingestürzt, mit Holz – „noch boanfrisch“- abgestützt. Dieses Holz liege wohl noch heute im Berg. Die „Stoan“ (Brauneisenstein, Roteisenstein, Eisenspat) wurden über die „Reise“ (damals ein Weg) mit Schlitten hinunter gezogen zum Bach bzw. zur Brücke. Von dort führte sie der alte Adamer mit einem blinden Gaul zum Menten und zur Straße. Fuhrwerke die Erze nach Matrei, wo sie im ehemaligen Karbidwerk geschmolzen wurden. Die Ellbögner, besonders der Hinterlarcher, sahen diesen Schürfbetrieb nicht gern. Der Hinterlarcher hätte sich mit dem Gedanken getragen, das Haus zu verkaufen, „jednfålls håt er sich an Hund ungschåffn“ meinte Florl. Die Bewohner von Ellbögen sahen bereits eine Reihe von Knappenhütten entstehen. Florian Lener verdiente im Tag 20 Schilling, das war damals einschöner Verdienst.

Die Schürfarbeit im Hinterlarch wurde dann aufgegeben – „mir håbn nicht mer gscheits gfundn“ – und ein neuer Stollen beim Menten direkt am Bach geschlagen. Es wurde Kupferkies und Schwefelkies gefördert, was den alten „Mente“ am Kirchplatz zu Matrei vranlasste zu sagen: „Unter mein Feld gråbn sie nach Gold“. Der Erlcher Schmied, damals bereits über 70 Jahre alt, spitzte die Eisen und Pickel. Er war sehr neugierig.

Da der Stollen wegen der Wassernähe zu gefährlich war – der Vorarbeiter meinte, „wenn der Båch kimmt, sein mir ålle hin.“ – wurde ein zweiter Stollen vorgetrieben. Gesprengt wurde mit Dynamit. Der Vorarbeiter schickt Florl schauen, ob beim ersten Stollen eine Druckwelle sichtbar sei. Der Schmied ging natürlich mit. Beim Stollen beugte er sich ziemlich weit hinein. Die Explosion erfolgte und der Schmied flog in hohem Bogen ein Stück weit weg, blieb aber zum Glück unverletzt. Florl meinte: Då håbn mer nåchn erschtn Schreck teiglisch glacht“.

Geldmangel trieb zur Aufgabe der Schürfarbeit. Zuletzt wurde noch oberhalb des Arztaler Oberleger ein Stollen vorgetrieben, gutes Gestein gefunden, wie Florl sagte, aber nicht herausgeliefert.
Bei diesem Stollenvortrieb hatten auch der alte Schneider und der Moaland mitgearbeitet. Dann war mit der Schürfarbeit endgültig Schluss. – „sie sein aughaust“, meinte Florian L
ener.

Im Spätsommer des Jahres 1971 ließ eine Meldung noch einmal aufhorchen. Eine Firma aus Salzburg bohrte im Auftrag des amerikanischen Konzerns „Industrial Corpoation“ im Arztal nach Bodenschätzen. In der Gemeinde gab es verschiedene Meinungen. Einerseits hoffte man, dass die Steuereinnahmen durch den Bergbau für die Gemeinde um ein vielfaches ansteigen werden, andererseits fürchtete man um die Ruhe in diesem schönen Erholungsgebiet. In sieben Bohrlöchern wurde die Sonde bis zu 60 Meter tief getrieben. Die Bohrkerne wiesen einen hohen Gehalt an Eisen auf. Es handelte sich um Siderit (Eisenspat) und Hämatit (Roteisenstein). Bei genügender Dicke der Erzadern wollte der amerikanische Konzern den Abbau organisieren, versicherte aber, dass Erze nur abgebaut und zur Verhüttung verfrachtet würden.
Gerüchte gab es viele, sogar von Uranvorkommen wurde gemunkelt. Bewohner wollen schon Männer gesehen haben, die mit Geigerzählern den Talgrund abschritten.
Im Herbst war alle Aufregung vorüber. Die Bohrungen wurden eingestellt, ein Abbau des Erzes, so hieß es, finde nicht statt. Die Erze im Arztal schlummern also weiter im Boden. Ohne weiteres denkbar, dass bei Rohstoffknappheit auf Erze zurückgegriffen wird.